Und Einstein hatte wieder Recht.....
Das Verhalten des Doppelsternsystems DI Herculis war lange unverstanden und wurde zeitweise als unvereinbar mit der allgemeinen Relativitätstheorie angesehen. Neue bahnbrechende Messungen und Analysen unter Beteiligung einer Astronomin der Universität Heidelberg lösen dieses Problem, werfen aber gleichzeitig völlig neue Fragen zur Entstehung und Entwicklung derartiger Doppelsterne auf.
Mit den 100 Milliarden Sternen unsere Milchstraße verhält es sich fast wie mit den Menschen - viele leben als Single, die meisten aber in einer Zweierbeziehung. Sternenpaare, auch Doppelsterne genannt, müssen sich im Gegensatz zu Menschen jedoch nicht erst finden sondern sind meistens gemeinsam entstanden. Astronomen sind an Doppelsternen ganz besonders interessiert, da sie mit ihrer Hilfe viele offene Fragen der Astrophysik lösen können.
Doppelsterne kreisen umeinander, die Orientierung ihrer Bahnebenen verändert sich im Laufe der Zeit auf charakteristische Weise durch die asphärische Form der Sterne, aufgrund relativistischer Effekte oder wegen der Gravitationswirkung weiterer Sterne und Planeten im System. Man spricht von "Präzession". Der Vorgang ähnelt einem sich drehenden Kreisel, dessen Rotationsachse bei der Drehbewegung taumelt.
Bei fast allen Doppelsternen fanden Astronomen die gemessene Präzession der Bahnebenen in Einklang mit Vorhersagen der Theorie. Eine Ausnahme machte jedoch bislang der als "DI Herculis" bezeichnete Doppelstern, der sich in etwa 2000 Lichtjahren Abstand von der Erde befindet. Dort ist die beobachtete Präzession viermal langsamer als sie aufgrund der gemessenen Eigenschaften des Sternsystems sein sollte. Dieses Verhalten wurde vereinzelt auch als Problem für die allgemeine Relativitätstheorie angesehen.
Vier Astronomen aus den Niederlanden, USA und Deutschland, darunter Dr. Sabine Reffert vom Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH), fanden nun eine überraschende Erklärung für die ungewöhnlichen Bahnbewegungen von DI Herculis. Die bahnbrechenden Ergebnisse ihrer Arbeit werden am Donnerstag dieser Woche im britischen Wissenschaftsmagazin Nature veröffentlicht. Erstautor Dr. Simon Albrecht hat 2008 an der Universität Leiden (Niederlande) unter Prof. Andreas Quirrenbach, heute Direktor der Landessternwarte Königstuhl, promoviert und wurde dort von Dr. Reffert mit betreut. Ein Großteil der nun veröffentlichten Arbeit entstand während dieser Zeit.
Die beiden Sterne des Systems umkreisen sich in rund 10 Tagen. Aufgrund ihres geringen Abstands erscheinen sie am Himmel hierbei wie ein einzelner Stern. Zufälligerweise umkreisen sie sich so, dass die Bahneben in Blickrichtung zur Erde liegt, so dass sich beide Sterne immer wieder gegenseitig bedecken. Dadurch schwächt sich die Gesamthelligkeit periodisch ab. Hierbei ergeben sich allerlei charakteristische Effekte, die von dem Wissenschaftlerteam aufgezeichnet und mit überraschenden Ergebnissen ausgewertet wurden. Sabine Reffert, Expertin für Extrasolare Planeten am ZAH, war hierbei wesentlich an der Konzeption und den Beobachtungen beteiligt. Sie erklärt: "Methoden, die wir auch für das Aufspüren extrasolarer Planeten verwenden, haben uns wesentlich bei der Lösung des Rätsels um DI Herculis geholfen"
Durch eine raffinierte Analyse einer Vielzahl optischer Spektren des Doppelsterns konnten die Wissenschaftler den wahren Grund für die langsame Präzession der Bahnebenen beider Sterne herausfinden: Während bisher angenommen wurde, dass in Doppelsternsystemen die Rotationsachsen beider Sterne parallel ausgerichtet sind und senkrecht zur Bahnebene stehen, haben Albrecht und Kollegen herausgefunden, dass sie im Fall von DI Herculis fast in der Bahnebene liegen.
Vieles spricht dafür, dass die beiden Sterne an Ort und Stelle gemeinsam entstanden sind. Dass sich hierbei eine derart große Differenz bei der Ausrichtung der Rotationsachsen entwickeln kann, ist völlig überraschend und fordert nun die Theoretiker heraus, ein derartiges Verhalten zu erklären. Möglicherweise ist die Entstehung von Planeten- und Doppelsternsystemen noch komplexer und dynamischer als bislang vermutet.
Quellenangaben:
S. Albrecht, S. Reffert, I.A.G. Snellen &
J. N. Winn: "Misaligned spin and orbital axes cause the anomalous
precession of DI Herculis", Nature, Vol 461, Number 7262
Kontakt:
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