Bodes Karten und andere Atlanten

Bodes Atlas "Vorstellung der Gestirne" wurde 1782 veröffentlicht. Es sollten Karten für den ambitionierten Amateur und Liebhaber der Astronomie sein, der sich die teuren (und inzwischen auch unhandlich großen) professionellen Atlanten nicht mehr leisten wollte oder konnte. Diese Karten hatten mittlerweile etwa einen Meter in der Diagonale, und Bode selbst gab 1801 den Atlas mit den bis heute größten Tafeln heraus, die berühmte "Uranographia" im Format 103 mal 67 cm.

Bereits 1776 hatte der französische Kunsthandwerker Fortin eine Kopie des Flamsteedschen "Atlas coelestis" von 1726 in einem Format von nur 23 mal 18 cm herausgegeben. Bode nahm dieses Projekt auf deutsch in Angriff, aber er korrigierte und erweiterte den zugrundeliegenden Sternkatalog, so dass seine Karten mehr Sterne und verbesserte Positionen zeigen.

Zusätzlich zu den eigentlichen Darstellungen des Himmels fügte Bode vier weitere Tafeln an: Zwei mit Detailzeichnungen einiger Sternhaufen, Nebel und Doppelsternen, durch das Teleskop gesehen (Tafeln XXX und XXXI) und zwei die den Sternhimmel zur "Zeit der alten Griechen und Römer" zeigen (Tafeln XXXIII und XXXIV, um 374 v.Chr., die Antike war damals sehr beliebt und ihre Kenntnis gehörte zur bürgerlichen Allgemeinbildung). Da die Erdachse alle 23000 Jahre leicht taumelt, die so genannte "Präzession", waren in klassischer Zeit einige der südlicheren Sternbilder besser zu sehen, andere wiederum schlechter. Der Atlas erschien auf deutsch, die dazugehörigen Texte sowohl auf deutsch als auch auf französisch, der zeitgenössischen Wissenschaftssprache. Die "Vorstellung der Gestirne" war offensichtlich ein Erfolg, denn 1805 wurde eine zweite, aktualisierte Auflage herausgegeben.

Eine Übersicht über die Atlanten dieses goldenen Zeitalters der Himmelskartographie gibt eine virtuelle Ausstellung der Linda Hall Library, die ausserdem komplette Scans der Uranometria von Johann Bayer (1603) und des Fortinschen Atlasses von 1776 auf ihren Webseiten anbietet. Dort finden sich auch Scans des Atlas von Kornelius Reissig von 1829 (auf Russisch in kyrillischer Schrift), dessen Kartenbild auf dem von Fortin/Bode basiert.

Eine weitere Einführung bietet auch zahlreiche Links auf andere Atlanten.

Geschichte des Originals

Die hier vorgestellte Ausgabe war ursprünglich im Besitz der großherzoglichen Mannheimer Sternwarte, die 1772-1774 gebaut wurde. Nach einem glänzenden Start wurde das Observatorium jedoch zunehmend durch die Fürsten vernachlässigt. Das Observatorium zog dann 1880 nach Karlsruhe um, bis die Instrumente und die Bibliothek schliesslich in den Besitz der 1898 eingeweihten Sternwarte auf dem Königstuhl übergingen. Ein Teil der Instrumente kann heute im Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim besichtigt werden, die ältesten Bücher wurden der Universitätsbibliothek Heideberg gestiftet. Der Atlas befindet sich noch am Institut, das mittlerweile Landessternwarte Königstuhl heißt.

Die Bindung des Atlas wurde gelöst, um einzelne Karten besser benutzen zu können, so dass es sich heute um 34 lose Karten und ein Tielblatt handelt. Zu dem Atlas gehört ein Textband auf französisch, der die Konstellationen und die Handhabung des Atlas beschreibt, gefolgt von dem vollständigen Sternkatalog.

Da 1782 Druck noch Handarbeit war, variiert die Qualität von Blatt zu Blatt etwas, so war z.B. der Anpressdruck nicht immer gleich stark, wodurch manchmal eine Seitenhälfte kräftiger gedruckt wurde als die andere. Auch ist die Ausrichtung der Drucke auf dem Blatt teilweise nicht sehr gerade. Die Kupferstiche sind meist gleich groß, aber mitunter ergeben sich Abweichungen. Zum Beispiel ist Tafel XXIX deutlich größer als die anderen.

Sternbilder

Da seit der Erfindung des Teleskops immer mehr Objekte gefunden und katalogisiert wurden, führte man neue Sternbilder ein, um die Übersicht zu bewahren. Heute werden 88 Sternbilder unterschieden, wovon etwa der Fuchs (Vulpecula, Tafel X) oder der kleine Löwe (Leo Minor,Tafel V) neueren Datums sind. Einige neue Sternbilder waren auch politisch motiviert, zum Beispiel war das Sternbild Schild (Scutum, Tafel X) dem polnischen König Jan III Sobieski gewidmet. Viele südliche Sternbilder (auf Tafel XXIX) wurden von de la Caille etwa 1750 neu hinzugefügt und sollten den technischen Fortschritt symbolisieren, etwa der chemische Ofen (Fornax) oder die Luftpumpe (Antila).

Die Anzahl der bekannten Objekte nahm aber so sehr zu, dass sich allzuviele diese Erweiterungen als unpraktisch erwiesen, und so verschwanden die späteren wieder, auch wenn sie noch auf Bodes Karten zu sehen sind. Dazu zählen das Brandenburgische Szepter (Tafel XXIV) oder der königliche Stier von Poniatowski (Tafel X).

In einer späteren Ausgabe der Bodeschen Karten von 1805 wurden sogar noch weitere neue Sternbilder auf die Druckplatten graviert, etwa der "Heissluftballon", die "Buchdruckerwerkstatt", oder die "Katze". Davon hat sich aber keines durchgesetzt. Das althergebrachte Sternbild Antinous, das der römische Kaiser Hadrian zu Ehren seines im Nil verunglückten Favoriten eingeführt hatte (Tafel X, der Legende nach opferte sich Antinous, um das Leben Hadrians zu verlängern), wird heute ebenfalls nicht mehr benutzt.

Das riesige Sternbild Argo (Das Schiff der Argonauten) wurde später in Vela (das Segel), Puppis (das Achterdeck), und Carina (den Kiel) aufgeteilt.

Einige interessante Details

Handkoloration

Aquarius

Oft liessen sich die Besitzer solcher Atlanten diese durch Künstler kolorieren. Damit wurden die Karten aber eher zu räpresentativen Statussymbolen als zu Werkzeugen astronomischer Beobachtung. Die Ausgabe der Landessternwarte Heidelberg wurde im Originalzustand belassen, mit Ausnahme einer einzigen Tafel: Tafel XXI , der Wassermann, wurde farbig ausgestaltet. Allerdings ist die Handkoloration eher spärlich im Vergleich zu anderen zeitgenössischen Beispielen.

Der Orionnebel

M42

Zunächst wurden alle diffus aussehenden Objekte als Nebel bezeichnet. Für den Astronomen Messier, der eher an Kometen interessiert war, stellten sie sogar ein Ärgernis dar, da sehr schwache Kometen ebenfalls klein und mit diffusem Erscheinungbild sind. Messier entschloß sich daher, einen Katalog solcher Nebel zu erstellen, um Fehlentdeckungen leichter vermeiden zu können. Dieser Messierkatalog enthält die hellsten und größten dieser Nebel, und die in ihm aufgeführten Objekte zälen zu den schönsten am Himmel. Der grosse Nebel im Orion, Messier Nr. 42, ist schon mit bloßem Auge sichtbar. Die erste Zeichnung durch ein Teleskop wurde von Cristian Huyghens 1656 angefertigt.

Brahes Supernova 1572

Brahe SN

Obwohl schon seit mehr als zweihundert Jahren verblasst, faszinierte die älteste damals bekannte Beobachtung eines "Stella Nova" noch immer. Fünf Tage nach den allerersten Sichtungen andernorts sah auch Tycho Brahe am 11. November 1572 einen "neuen Stern" im Sternbild Cassiopeia, hell wie Jupiter. Brahe traute seinen Augen nicht, aber als andere den Stern ebenfalls sahen (nachdem er ihn ihnen gezeigt hatte), beschrieb er es als "ein Wunder, wie es seit Anbeginn der Welt nicht gesehen wurde". Dieser neue Stern wurde noch so hell wie die Venus und verblasste später wieder. Tatsächlich hat Brahe das genaue Gegenteil eines "Neuen Sterns" gesehen, nämlich die Explosion, die das Leben eines massereichen Sternes beschliesst: eine Supernova.

Keplers Supernova 1604

Kepler SN

Nur 32 Jahre später, am 9. Oktober 1604, wurde erneut ein "Neuer Stern" entdeckt. Kepler, der diese Supernova am ausführlichsten studierte (inspiriert durch Brahes Berichte), und ihr daher seinen Namen gab, sah sie erst am 17. Oktober. Auch dieser "Stella Nova", im Ausbruch etwa hell wie Jupiter, war bei Druck des Atlasses längst wieder unsichtbar geworden. Es ist die letzte uns bekannte Supernova in unserer eigenen Milchstrasse. Erst 1987 wurde wieder eine ähnlich helle Supernova gesehen, diesmal aber in der grossen Magellanschen Wolke, einer unserer nächsten Nachbargalaxien.

Weitere Veränderliche Sterne

etaCar

Zusrätzlich zu den Supernovae wurden die zu dieser Zeit bekannten veränderlichen Sterne mit dem Jahr des Erkennens ihrer Veränderlichkeit markiert. Diese Sterne, mit den beiden Supernovae insgesamt sechs, waren von Halley 1715 veröffentlicht worden. Dazu zählen noch die zwei Mira-Sterne omicron im Sternbild Cetus (also Mira selbst) und chi Cygni, dann P Cygni, der 1600 aufleuchtete, und die Nova von 1670 im Sternbild Fuchs (heute CK Vulpeculae genannt). Außerdem ist im Sternbild Hydra (Tafel XXVII) am Schwanz der Wasserschlange ein Veränderlicher gekennzeichnet. An dieser Position steht zwar kein Stern, aber es handelt sich vermutlich um R Hydrae, der tatsaechlich einige Grad nordwestwärts zu finden ist.

Komet Halley 1835

Halley

Die Sternkarten wurden offensichtlich auch benutzt. Abgesehen von zahlreichen handschriftlichen Eintragungen im Katalog finden sich auf Tafel IV zwei mit Bleistift eingezeichnete Positionen und der der Notiz "29. Sept" und "30". Die Position ist mit mehr als +35 Grad zu weit nördlich der Ekliptik für Planeten und die meisten Asteroiden, so dass nicht allzu viele Objekte in Frage kommen. Tatsächlich kennzeichnen die Positionen den Kometen Halley bei seinem Erscheinen im Jahre 1835, nachdem er für das blosse Auge am 23. September am Morgenhimmel sichtbar geworden war und danach schnell heller wurde.

Uranus 1690

Uranus

Obwohl Uranus erst im März 1781 durch Herschel als Planet erkannt wurde, war er schon mehrfach gesehen worden, aber jedesmal als Stern katalogisiert. Der erste dieser Irrtümer unterlief John Flamsteed am 23 Dezember 1690, als er Uranus als 34 Tauri katalogisierte. Bode war derjenige, der diesen Irrtum erkannte, aber erst 1785, so dass im Atlas von 1782 an Uranus' Position von 1690 (fast direkt auf der Ekliptik, dem eingetragenen Band) noch ein Stern siebter Grösse eingezeichnet ist (siehe auch im Katalog, Seite 17, 34 Tauri). Bei näherer Inspektion fanden sich sogar insgesamt sechs Einträge zwischen 1690 und 1715 in Flamsteeds Katalog, die alle dem Planeten Uranus zuzuschreiben sind. Flamsteed war jedoch nicht der einzige: James Bradley (drei Beobachtungen 1748 bis 1753), Tobias Mayer (eine Beobachtung 1756) und Pierre Charles Le Monnier (zehn Beobachtungen 1764 bis 1771!) verpassten ihre Gelegenheit ebenso. Herschels Glück, der Uranus zunächst für einen Kometen hielt, lag auch in einem der besten Teleskope seiner Zeit und einer hohen Vergrösserung, mit der er den Uranus sofort als ausgedehntes Objekt, im Gegensatz zu den punktförmigen Sternen, erkannte.

Der Name "Uranus" wurde durch Bode geprägt kam aber erst 1850 in allgemeinen Gebrauch. Herschel selbst nannte den neuen Planeten "Georgium Sidus" nach dem englischen König George III, manchmal wurde er aber auch "Herschels Planet" genannt.

Overview


Th. Rivinius